WASSERKRAFT Regional. Ökologisch. Gut.

Geschichte der Wasserkraft

Erst als die Menschen mehr und mehr sesshaft wurden und ihren Nahrungsbedarf statt durch Sammeln durch Ackerbau und Viehzucht deckten, wuchs die Bedeutung einer ausreichenden Wasserversorgung. Die Siedlungen und Anbauflächen mussten von Flüssen, aus Seen oder durch in das Grundwasser reichende Brunnen versorgt werden. Zur Förderung des Wassers in die höher gelegenen Regionen diente zu Anfang und für längere Zeit nur die Muskelkraft von Mensch und Tier. Es dauerte Jahrhunderte, bis der Mensch Techniken entwickelte, die im Wasser vorhandene Kräfte für den Antrieb von Schöpfwerken oder Mühlen nutzbar zu machen.

Bild 1: Ein Schöpfwerk von Philon von Byzanz [www.hp-gramatke.de, Oktober 2008]
Bild 1: Ein Schöpfwerk von Philon von Byzanz
Das älteste Zeugnis eines wasserbetriebenen Schöpfwerks geht auf das Jahr 300 v. Chr. zurück, siehe Bild 1. Dort beschreibt Philon von Byzanz eine über zwei Achsen laufende endlose Eimerkette, bei der die Antriebseinrichtung wahrscheinlich aus einer Art unterschlächtigem Wasserrad besteht, das sich an der unteren Achse befindet. Noch heute werden in fast allen ariden Ländern Schöpfwerke nach diesem Prinzip betrieben.

Der nächste Schritt in der Nutzung der Wasserkraft durch den Menschen war das Mahlen von Getreide. Erst 100 v. Chr. gelang es, das von Hand sehr mühsame Herstellen von Mehl durch Reiben zwischen zwei Steinen, durch wassergetriebene Mühlen abzulösen. Erste Berichte hierüber finden sich in der griechischen Literatur bei Antipatros von Thessaloniki der etwa zu Beginn des letzten Jahrhunderts v. Chr. lebte. Das Prinzip der ersten Mühlen war dem der Schöpfwerke sehr ähnlich. Anstelle der endlosen Eimerkette war jedoch auf der horizontalen Achse ein Zahnrad befestigt, dessen Zähne in ein weiteres Zahnrad griffen, welches sich zusammen mit dem Mühlstein auf einer vertikalen Achse befand.

Bild 2: Unter-, mittel- und oberschlächtiges Wasserrad (https://www.grabser-muehlbach.ch/rundgang/objekte-am-mühlbach/4c-wasserradtypen)
Bild 2: Unter-, mittel- und oberschlächtiges Wasserrad

Neben den unterschlächtigen Wasserrädern, bei denen das Wasser unter dem Rad hindurchgeführt wird, kamen später immer mehr oberschlächtige Wasserräder zur Anwendung, die einen besseren Wirkungsgrad erzielten (siehe Bild 2). Für diese Art der Nutzung musste das Wasser von oben dem Wasserrad zugeführt werden, was jedoch nur bei entsprechender Topographie und einer entsprechenden Höhendifferenz möglich ist. Um die Kraft des Wassers mittels oberschlächtigen Wasserrädern besser nutzen zu können, kamen nun auch erste Bauwerke zum Einsatz. Über Kanäle oder Druckschächte strömte das Wasser etwa auf Höhe des Scheitels in becherförmige Zellen ein und versetzte das Rad dadurch in Rotation. Dokumentiert sind solche Anlagen etwa ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. Die Gemeinsamkeit aller bisher erwähnten Mühlenformen besteht darin, dass sie eine horizontale Welle aufweisen und das Wasser vertikal auf die Wasserräder zuströmt.

Erst als die Bevölkerung weiter wuchs und man auf eine effizientere Ausbeute der Wasserkraft Wert legte, kamen auch Mühlen mit vertikalen Wellen zum Einsatz. Dies ermöglichte, selbst geringe Wassermengen effektiv zu nutzen. Da der Mühlstein direkt auf der vertikalen Achse über dem Mühlrad befestigt werden konnte, benötigte man hierbei auch kein Getriebe mehr. Erstaunlich ist immer wieder die Tatsache, dass diese bereits in der Antike entwickelten und gebauten Mühlen mit wenigen Änderungen in Form und Material, bis in die heutige Zeit ihren Zweck erfüllen.

Erst in der Neuzeit wurden diese Wasserräder aus Kostengründen und wegen der geringeren Effizienz bei der Energieausbeute durch Wasserturbinen ersetzt. So entstanden beispielsweise aus vielen ehemaligen Mühlen im Verlauf der letzten Jahrzehnte kleine Wasserkraftanlagen zur Erzeugung von elektrischem Strom. Somit kann ohne Zweifel festgestellt werden, dass die Erfindung der Turbine, die ebenfalls dem strömenden Wasser über ein Laufrad die Energie entzieht, einen großen Schritt in der Geschichte der Wasserkraftnutzung darstellt.

Die erste Entwicklung, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden muss, ist das so genannte Segner-Wasserrad, benannt nach dem von 1704 bis 1777 in Göttingen wirkenden Erfinder Segner. Es ist die erste technisch hoch entwickelte Einrichtung, welche die Kraft eines Wasserstrahls ausnutzt. In den nächsten Jahrzehnten folgten Weiterentwicklungen solcher Wasserräder, die axial durchströmt wurden und bei denen das Wasser teilweise unterhalb des Unterwasserspiegels (Überdruckturbine), oder oberhalb des Unterwasserspiegels (Gleichdruck- oder Freistrahlturbinen) austritt.

Fourneyron-Turbine von 1834 im Deutschen Museum in München Bild: Wikipedia

Die erste funktionsfähige Wasserturbine ist die sogenannte Fourneyron-Turbine. Diese ist nach ihrem Französischen Erfinder Benoît Fourneyron benannte. Der gerade einmal 24-Jährige hatte die Turbine 1826 aufgrund eines Preisausschreibens der französischen Gesellschaft für Gewerbefleiß entwickelt, dessen Bedingung es war, ein Wasserrad zu entwickeln, das an mehr als einer Stelle angetrieben wird. Bei der Fourneyron-Turbine fließt das Wasser von oben kommend axial nach unten in einen Leitapparat aus gewölbten Schaufeln, der das Wasser erstens ringsum radial nach außen umlenkt, zweitens dabei mit einem Drall versetzt und drittens in ein außenliegendes Laufrad entlässt.

Spannend ist, dass die erste Fourneyron-Turbine von 1832–1864 in der Spinnerei in St. Blasien zum Einsatz kam. Sie lieferte mit 2300 Umdrehungen pro Minute 40 PS und war die erste brauchbare, mit gutem Wirkungsgrad regulierbare Überdruckturbine und galt als erste kontinentale Überdruckturbine.

Bild 3: Francis- Schacht- Turbine [Meurer, 2000]
Bild 3: Francis- Schacht- Turbine
Die Francis-Turbine ist eine Weiterentwicklung der Fourneyron-Turbine. Diese Turbine hatte den Nachteil, dass das Wasser beim Übergang von dem im Inneren des Laufrads liegenden Leitwerk auf den Läufer verwirbelt wurde und somit kein optimaler Wirkungsgrad erreicht werden konnte. Dieser entscheidende Durchbruch im Bereich der Überdruckturbinen gelang dem Engländer Francis erst Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine der ersten Turbinen dieser Art, aus dem Jahre 1849, ist in Bild 3 zu sehen.

Der Fortschritt im Bereich der Freistrahlturbine ließ noch weitere 40 Jahre auf sich warten. Die ersten Erfolge stellten sich hier mit der Entwicklung zur heutigen Form einer modernen Gleichdruckmaschine, durch den Amerikaner Pelton aus dem Jahre 1890 ein.

Auf dem Gebiet der Niederdruckanlagen wurden dem Erfinder Kaplan zwei Patente, einmal für Propellerturbinen mit feststehenden und einmal mit beweglichen Schaufeln, erteilt.

Einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung von Wasserkraftanlagen stellt das Zusammenwirken dieser Kaplanturbinen mit einem vorgeschalteten Stromgenerator bei leicht geneigter, bzw. liegender Achse dar. Diese Turbinenform wird heute üblicherweise Rohrturbine genannt. Vorteil dieser Anordnung von Generator und Turbine liegt in der Möglichkeit sehr flache Krafthausbauten ausführen zu können. Außerdem finden diese Turbinen Anwendung im Bereich von überströmten Kraftwerken.

Auf dem Gebiet der Kleinwasserkraftanlagen nimmt die von dem Ungarn Bánki 1917 entwickelte zweistrahlige Turbine eine Vorreiterrolle ein. Er verringerte mit seiner Maschine die Abhängigkeit der Wasserkraftanlage von dem übers Jahr stark schwankenden Durchfluss, indem er die Mächtigkeit schuf, das Aggregat sowohl im Überdruckbereich, als auch im Gleichdruckbereich fahren zu können. Der deutsche Ingenieur Ossberger modifizierte diesen Maschinentyp zur heute weltweit bekannten, dem Wasserrad ähnlichen, Durchströmturbine. Anfang des 19. Jahrhunderts war den Menschen sicher nicht bewusst, wie enorm der elektrische Strom in Zukunft ihr Leben beeinflussen würde. Heute, 200 Jahre später, ist die sichere und wirtschaftliche Energieversorgung mehr denn je Grundlage eines funktionierenden Wirtschaftssystems geworden.