Traditioneller Wasserkraftstammtisch fand in Dettingen unter Teck statt
Über 50 Personen trafen sich zum Austausch
Am 6. Mai 2023 um 14.30 Uhr startete der traditionelle Wasserkraftstammtisch am Wasserschlössle in Dettingen unter Teck mit über 50 Personen, siehe Bild (Vor dem Wasserschlössle, Bild: Julia Neff). Im Wasserkraftwerk wurden wir von Herrn Ensinger, der das Kraftwerk der Firma Leuze betreibt, in Empfang genommen. Im Wasserschlössle werden zwei Francis-Spiralturbinen mit Synchrongeneratoren betrieben, siehe Bild (Francis-Spiralturbinen Wasserschlössle, Bild: Julia Neff). Das Wasser wird der Anlage über eine Druckrohrleitung von Owen kommend zugeführt. Mit einer Fallhöhe von 14 Metern wird an der Wasserkraftanlage (WKA) an der Lauter eine Leistung von ca. 200 kW erreicht, so Herr Ensinger, der uns einen guten Überblick über die Wasserkraftanlage gab.
Entlang der Lauter an blühenden Streuobstwiesen vorbei mit Blick auf die Burg Teck machten wir uns auf zur Wehranlage der WKA Tuchfabrik Berger und der ehemaligen Oberen Mühle. Seit mehr als 100 Jahren wird die Lauter am Ortseingang von Dettingen unter Teck angestaut. Um die Anforderungen der EU WRRL zu erfüllen, wurde die bestehende Wehranlage sowie das Flussbett bis zum Naturdenkmal Gaulsgumpen ökologisch aufgewertet und Durchgängigkeit hergestellt. Mit den Baumaßnahmen wurde im Juni 2020, nach über sechs Jahren Planungszeit, begonnen. Nach einem knappen halben Jahr konnte die neue Wehranlage mit Fischaufstieg und ökologischer Aufwertung bis zum Naturdenkmal eingeweiht werden, siehe Bild (Unterhalb der Wehranlag, Bild: Julia Neff). Für die Dettinger selbst bringt die neue Wehranlage einen deutlich verbesserten Hochwasserschutz für den gesamten Ort. Im Anschluss an die renaturierte Strecke befindet sich das Naturdenkmal Gaulsgumpen, siehe Bild (Naturdenkmal Gaulsgumpen, Bild: Julia Neff). Ob dieser Naturabsturz die Anforderungen der EU WRRL erfüllt, bleibt fraglich…
Entlang des offenen Oberwasserkanals erreichten die Teilnehmenden nach einem 600 m langen Fußmarsch, bei dem rege Unterhaltungen stattfanden, die ehemalige Tuchfabrik Berger. An der Tuchfabrik angekommen, gab es kühle Getränke von Herrn Kirchner und Herrn Hummel. Während der Erfrischung stellte uns Reinfried Kirchner die Geschichte der Wasserkraftanlage der Tuchfabrik Berger vor, siehe Bild. Die Wasserkraftanlage mit den zwei Francis-Schachtturbinen ist das, was von der Tuchfabrik noch übriggeblieben ist. Eine Besonderheit der Anlage ist die Tandem Turbine ist. Das heißt, die Turbinen treiben gemeinsam oder einzeln auf einer Antriebswelle den Asynchrongenerator an. Mit einer Fallhöhe von 4,5 m erreicht die Wasserkraftanlage eine Leistung von max. 60 kW. Herr Kirchner betreibt und unterhält die Wasserkraftanlage mit großem Einsatz, den er selbst in stundenlanger Arbeit erbringt. Dies umfasst Arbeiten am Rechen sowie auch der Steuerung.
Von der Tuchfabrik ging es weiter zur ehemaligen oberen Mühle, die von Familie Hummel betrieben wird. Herr Hummel erläuterte alle Details zur WKA. Auch er erbringt fast alle Leistungen an der WKA in stundenlanger Arbeit selbst. Auf dem Bild ist zu sehen, wie Herr Hummel die Details der Anlage genau erläutert. Die zwei Francis-Schachtturbinen mit den Asynchrongeneratoren mit einer Leistung von insgesamt ca. 75 kW treiben unter anderem die hauseigene Schnapsbrennerei an. Das Wasser wird der Anlage über einen ca. 150 m langen Oberwasserkanal von der Tuchfabrik Berger zugeführt. Die WKA Hummel erreicht eine Fallhöhe von 5,4 m. Nach Nutzung des Wassers wird dieses über einen kurzen Unterwasserkanal der Lauter wieder zugeführt.
Nach der Besichtigung der drei interessanten WKA machten sich die 50 Teilnehmer auf den Weg in den kühlen, lichtdurchfluteten Veranstaltungsraum im Gasthaus La Dolce Vita. Der Vorsitzende Dr. Axel Berg begrüßte alle Teilnehmer sowie auch Bürgermeister Rainer Haußmann und bedankte sich bei den Herren Ensinger, Kirchner und Hummel für die ausführliche Führung in den Wasserkraftanlagen. Dr. Berg übergab dann das Wort an Bürgermeister Haußmann. Dieser begrüßte alle Teilnehmenden im schönen Dettingen unter Teck. Er machte allen Betreibern Mut, sich mit ihren Kommunen in Verbindung zu setzen um Win-Win Situationen zu schaffen. Er ist stets bemüht die Betreiber von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie zu unterstützen. Auch die Gemeinde selbst hat in den letzten 10 Jahren viel investiert um eigenen Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Dettingen unter Teck wird es vor 2030 schaffen bilanziell bei Strom autark zu sein. Der ermutigende Vortrag von Bürgermeister Haußmann begeisterte die Teilnehmenden und einige würden Herrn Haußmann gerne in ihrer Kommune als Bürgermeister wissen.
Im Anschluss an die Begrüßungsrede stellte Dr. Berg den neuen Rechtsbeistand der AWK BW Rechtsanwalt Philipp Röck aus Freiburg kurz vor. Die gesamte Vorstandschaft freut sich auf die künftige Zusammenarbeit. Herr REA Röck wurde am Vormittag während der Vorstandssitzung einstimmig als Beiratsmitglied gewählt. Dr. Berg übergab REA Philipp Röck das Wort und bat ihn sich selbst kurz vorzustellen. REA Röck begrüßte alle Teilnehmenden und freut sich auf die künftige Zusammenarbeit im Bereich der Kleinwasserkraft, siehe Bild. REA Röck arbeitet in Freiburg bei der Dr. Stilz Behrens & Partner mbB. Gerne können sich Mitglieder bei Problemen oder Fragen mit ihm und seinem Büro in Verbindung setzen. REA Röck hat von REA Siegmund Schäfer Mandate übernommen und sich mittlerweile schon gut in die Materie Wasserkraft einarbeiten können.
Nach der Kurzvorstellung übergab Dr. Berg das Wort an Reinfried Kirchner. Dieser gab uns Einblicke in die Geschichte der Lauter. Er legte alte Pläne und Listen vor, aus denen ersichtlich wurde, wie viel Kleinwasserkraftanlagen in den letzten Jahrzehnten hier vor Ort zurückgebaut wurden. Allein an der Lauter und der Lindach zählte man früher 127 Kleinwasserkraftanlagen, von denen heute nur ein kleinerer Teil noch in Betrieb ist. In Dettingen selbst waren es damals fünf Wasserkraftwerke, von denen heute noch drei in Betrieb sind.
Nach dem Vortrag zur Geschichte der Kleinwasserkraft an der Lauter stellte Julia Neff einige aktuelle gesetzliche Rahmenbedingungen vor. Zu Beginn begrüßte auch sie alle Teilnehmenden und sagte, dass sie sich über das große Interesse und die zahlreichen Teilnehmenden freue. Sie bedankte sich bei BM Haußer für die Grußworte und vor allem bei Reinfried Kirchner für die tolle, unkomplizierte Unterstützung bei der Organisation des Wasserkraftstammtisches in Dettingen unter Teck. Ebenfalls dankte sie den Herren Ensinger und Hummel für das Öffnen der Türen und die Vorstellung ihrer Wasserkraftanlagen.
Das Osterpaket, das Sofortmaßnahmengesetz und das EEG 2023
Was heißt das für die Wasserkraft, Vortrag von Julia Neff beim Stammtisch
Im Vortrag von Julia Neff ging es um das Osterpaket, das Sofortmaßnahmengesetz und das EEG 2023. Das Osterpaket, welches vor über einem Jahr als Gesetzesvorlage vom Bundeskabinett beschlossen wurde, war schockierend für die Wasserkraftbranche. Damals hat die AWK BW dank strukturierter, überregionaler guter Zusammenarbeit aller Verbände und der Politik viel Negatives, was ursprünglich im Osterpaket stand, verhindert. Beschlossen wurde das Sofortmaßnahmengesetz für den Ausbau der erneuerbaren Energien und weitere Maßnahmen im Stromsektor im Juli 2022, darunter auch die Änderungen des EEG 2023. Ziel des Osterpakets ist die Dekarbonisierung wegen der Klimakrise, Energiesicherheit wegen dem Krieg zwischen der Ukraine und Russland sowie der Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. In Zahlen heißt das, dass 80 % des Stroms im Jahr 2030 aus Erneuerbaren Energien (EE) kommt. Aktuell werden aus EE ca. 240 TWh Strom erzeugt. Im Vergleich liegt der Bruttostromverbrauch in Deutschland nach den Prognosen im Jahr 2030 bei 750 TWh. Davon sollen 80 % aus EE kommen. Das bedeutet 600 TWh. Somit müssen in den nächsten sieben Jahren rund 360 TWh EE ausgebaut werden um die Ziele zu erreichen; die Zahlen stammen vom Umweltbundesamt.
Im Vortrag ging Julia Neff auf den § 2, die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien ein. In diesem Paragraphen steht folgendes: „Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Satz 2 ist nicht gegenüber Belangen der Landes- und Bündnisverteidigung anzuwenden.“ Dieses Gesetz trat im Juli 2022 in Kraft. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beschrieb im Überblickspapier das Ganze als Herzstück, Zitat aus dem Papier: „Es wird als Herzstück des Pakets der Grundsatz verankert, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient.“ Julia Neff erläuterte weiter, dass diese gesetzlichen Gegebenheiten auch schon im Ländle im sogenannten Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz berücksichtigt wurden; dieses trat am 11.02.2023 in Kraft. Zusammengefasst heißt das für die Errichtung und den Betrieb von Wasserkraftanlagen, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Sowie dass sie vorrangiger Belang bei Schutzgüterabwägungen sind, im Zweifel Vorfahrt für die EE. Hierfür benötigen wir ein grundlegendes Umdenken der zuständigen Behörden. Das wird eine große Aufgabe in der Zukunft, so Julia Neff. Sie schloss den Vortrag mit dem Zitat der Bundesverfassungsrichterin Prof. Dr. Gabriele Britz ab: „Zu klein zählt nicht: Weil der Klimawandel aber nur angehalten werden kann, wenn all diese vielen, für sich genommen oft kleinen Mengen von CO2-Emissionen lokal vermieden werden, kann einer einzelnen Maßnahme nicht entgegengehalten werden, sie wirke sich nur geringfügig aus.“
Nach den Besichtigungen und den Vorträgen wurde an den einzelnen Tischen noch rege weiter diskutiert und man tauschte sich über die Wasserkraft aus, siehe Bild.
Rechtsanwalt Philipp Röck, Bild: Julia Neff Teilnehmende am Stammtisch, Bild: Julia Neff
Den Kasten am besten unter den Text platzieren.
Verfasserin: Julia Neff